ja, meinen ersten Chef. Ich war noch blutjung, kam gerade von der Uni und war als Berufsanfängerin noch unsicher. Mein Chef war ein Choleriker und tobte schnell rum.Wenn er freundlich war, fand ich ihn immer unecht. Ich traute ihm nicht von der Wand bis zur Tapete. Irgendwie war er merkwürdig. Was ich damals nicht wusste, unerfahren, wie ich war, war, dass er eine schwerer Alkoholiker war. Ich wusste, dass er ständig Cola trank, aber ich wusste nicht, dass er in der cola stets seinen Wodka versteckte. Meine Kollegin, gut 35 Jahre älter als ich, "half" ihm, seine Sucht zu verbergen und ließ mich daher sozusagen im Regen stehen.
Dann bekam er eine Hepatitis, dachte ich, ich Wahrheit war es wohl die Leberzirrose. Er war lange im Krankenhaus, worüber ich sehr froh war, dann kam er aber wieder. Jedenfalls war er 14 Tage wieder im Dienst, sein altes widerliches Selbst, als ihm schlecht wurde. Er bat mich, ihn im Auto mitzunehmen, da er nicht mit der Bahn fahren wollte. Als höflicher Mensch tat ich das. Unterwegs fuhren wir über eine sehr belebte Allee und ich dachte völlig kühl: "Wenn ich jetzt gegen einen Baum fahre, überlebe ich das, aber er, nicht angeschnallt, wird tot sein." Ich habe es natürlich nicht getan.
Eine Woche später war er tot. Wir im Kollegenkreis gingen alle zur Beerdigung. Ich auch. Das ging nicht anders. Das Wetter war kalt und feucht, Spätherbst. Nach der Zeremonie traten wir alle, einer nach dem Anderen an sein Grab. Ich starrte hinein und dachte: Ich bin dich los. Verrotte du da unten!" Und als ich das dachte, schien durch eine Wolkenlücke plötzlich die Sonne. Ich schaute gen Himmel und sagte leise, aber inbrünstig: "Danke Herr, danke, danke, danke."
Bis heute bin ich Gott dankbar!