Was soll ich wählen, wenn ich später Archäologie studieren möchte?

6 Antworten

Archäologie ist ein sehr breites Feld. Neben den verschiedensten regionalen Zweigen, ist auch die Zeit für die Du Dich interessierst wichtig. Es ist ein Unterschied, ob Du Vor- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie oder Mittelalterarchäologie machen willst.

Informiere Dich auf jeden Fall frühzeitig über die Realitäten in diesem Berufsfeld. Wenn Du Dir beispielsweise vorstellst Deinen Arbeitstag auf der Grabung zu verbringen, Funde und Befunde zu dokumentieren, auszugraben und zu sichern, dann sollstest Du Grabungstechniker oder Grabungsleiter als Beruf in Betracht ziehen.

Nur sehr wenige Archäologen bleiben an den Unis. Viele Archäologen die ich kenne sind mehr in der Projektleitung tätig. Zum Beispiel wird ein neues Baugebiet ausgeschrieben. Du musst dann organisieren, dass Baggerschnitte gemacht werden und Dir dann anschauen, ob das eine Grabung lohnt. Dann organisierst Du Arbeiter und das Equipment, schaust wo die Gelder herkommen, schreibst Gutachten, sitzt in Gremien zur Finanzverteilung usw. Das bedeutet, dass Du Dich zum Beispiel mit ungeduldigen Bauherren rumärgern musst, die endlich weiterkommen wollen. Auf die Grabung gehst Du nur ab und zu um zu schauen wie es vorwärts geht.

Museen sind ein weiteres Arbeitsfeld. Auch hier bist Du mehr in der Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt als direkt in der Archäologie. Du musst Führungen machen, dazu sind Sprachen wichtig, Ausstellungen organisieren, Gelder verwalten und das Tagesgeschäft mit den Besuchern abwickeln. Du repräsentierst das Museum auf Messen bist in Museumsvereinigungen usw. Natürlich musst Du auch Fachvorträge halten und Fragen der Besucher beantworten.

Wenn Du keine dieser begehrten Stellen bekommst - was wahrscheinlich ist - dann läufst Du Gefahr saisonbedingt für Grabungen angestellt zu werden. Das ist immer befristet, Du wirst Dich ständig wieder arbeitssuchend melden müssen und lebst immer in der Unsicherheit was als nächstes kommt. Keine schöne Sache...


Jerne79  20.04.2017, 12:28

An dem einen Absatz müssen wir ein wenig nachjustieren und ergänzen, wenn wir von Archäologie im Denkmalschutz sprechen. Da sind dir die Funktionen ein bißchen arg durcheinander gepurzelt.

"Viele Archäologen die ich kenne sind mehr in der Projektleitung tätig."

Die Mehrzahl ist als einfacher Grabungsarbeiter tätig. Es braucht leider mehr Indianer als Häuptlinge. Frisch von der Uni bekommt man keine Grabungsleitung (es sei denn, man hat während des Studiums schon sehr viel Grabungserfahrung gesammelt).

"Du musst dann organisieren, dass Baggerschnitte gemacht werden und Dir dann anschauen, ob das eine Grabung lohnt."

Wo diese Schnitte sind, entscheidet in der Regel die zuständige Behörde, ggf. in Absprache mit dem Grabungsleiter. Ob den Bagger samt Fahrer der Auftraggeber, also der Bauherr stellt oder ob ihn der Archäologe mitbringt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich.

"Dann organisierst Du Arbeiter und das Equipment, schaust
wo die Gelder herkommen, schreibst Gutachten, sitzt in Gremien zur
Finanzverteilung usw. "

Arbeiter und Equipment solltest du als gut funktionierende Grabungsfirma schon vorher haben. Sonst wurdest du böse überrascht oder hast dich übernommen. Die Gelder sind - wenn die zuständige Denkmalschutzbehörde es nicht versemmelt - kein Problem, schließlich arbeiten wir in Deutschland nach dem Verursacherprinzip. Gelder sammeln, v.a. durch Drittmittelwerbung, ist v.a. ein Problem bei Forschungsgrabungen. Im Denkmalschutz zahlt der, der es kaputt macht.

"Das bedeutet, dass Du Dich zum Beispiel mit
ungeduldigen Bauherren rumärgern musst, die endlich weiterkommen wollen."

Das ist allerdings wahr. Im Zweifelsfall kostet der den Archäologen mehr Zeit und Nerven als alles andere.

"Auf die Grabung gehst Du nur ab und zu um zu schauen wie es vorwärts geht."

Das gilt eigentlich nur für den Firmeninhaber. Der Grabungsleiter muss vor Ort sein, sonst läuft die Grabung nicht. Und der normale Grabungsschlumpf wandert eh nur von Befund zu Befund.

Ein Kommentar zur Museumsarbeit:

Die wenigsten Führungen werden bei uns von den Ausstellungsmachern oder überhaupt von Fachpersonal gemacht, der Chef führt höchstens in kleinen Ein-Mann-Museen oder zu besonderen Ereignissen (Eröffnung, besondere Termine usw.). Das gilt üblicherweise auch für das Tagesgeschäft.

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Kristall08  20.04.2017, 13:00
@Jerne79

  oder Grabungsleiter als Beruf 



Grabungsleiter ist kein Beruf. ;)

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Jerne79  20.04.2017, 14:22
@Kristall08

Ich bin mir auch nicht sicher, ob da nicht ein Stück weit Projektsteuerung (nicht -leitung!) gemeint ist. Aber so wirklich haut das auch nicht hin und eingesetzt werden die auch nicht so häufig. Und wenn, dann verbringt auch der, der das Projekt steuert, meist reichlich Zeit auf der Grabung.

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Zabini01  21.04.2017, 09:14
@Jerne79

Stimmt, meine Erfahrungen mit Archäologen sind viel im Bereich der Denkmalpflege. Es gibt in dem Bereich (in Baden-Württemberg) nicht besonders viele studierte Archäologen, die die es sind machen Projektmanagement und der Arbeitsalltag ist wie beschrieben.

Für Grabungen werden zwar auch Archäologen angestellt, wenn man welche zu den gebotenen Löhnen bekommt, jedoch sind die Mehrzahl der Grabungsarbeiter nicht vom Fach. Früher waren das häufig Leute aus Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, keine Ahnung wie die heute heißen. Meiner Erfahrung nach ist der Grabungsleiter Archäologe (oder erfahrener Fachmann ohne Studium), daher die Benennung, die völlig richtig, kein Beruf an sich ist. Dadurch hast Du vermutlich recht, dass viele Archäologen da ihre Niesche finden. Wie gesagt, keine besonders sichere Sache.

Es kommt natürlich auch auf das Bundesland an, je nach dem, ob Grabungsfirmen rechtlich legal sind oder nicht. Das ist in Ba-Wü ja nicht der Fall. Hier wird vom Landesdenkmalamt und dadurch vom Archäologen die Grabung organisiert und dazu gehört die Absprachen zur Bereitstellung des Arbeitsmaterials. Und wie gesagt gibt es nicht viele Archäologen, die aber für einige Grabungen zuständig sind und daher nicht ständig vor Ort sein können.

Museen gibt es in vielen Formen, nur die großen leisten sich mehr als einen Archäologen (und selbst die mittleren werden nicht selten von Leuten aus der Tourismusbranche geleitet). Da machen die Museumsleiter durchaus auch selber Führungen (Natürlich gemeinsam mit angestellten oder freiberuflichen Mitarbeitern). Das ist beispielsweise im Keltenmuseeum Hochdorf so. In Landesmuseen ist das natürlich etwas anderes.

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Jerne79  22.04.2017, 01:18
@Zabini01

Zabini, du magst Archäologen kennen, Kristall und ich SIND Archäologen.

Deine Schilderungen sind eine der Vergangenheit angehörende Ausnahme, nicht die Regel.

Inzwischen hat auch Ba-Wü auf das System mit Grabungsfirmen umgestellt, auch wenn das noch recht frisch ist. Da hat es in der Tat bisher ein wenig anders ausgesehen. Trotzdem sind Grabungsleiter und Projektsteuerung unterschiedliche Aufgaben, die aus der Not heraus teils vermischt wurden,  ganz davon abgesehen, dass das System in Ba-Wü eher Ausnahme als Regel war. Eben weil das so nur lausig funktioniert hat. Immerhin hat man aus der Vergangenheit gelernt.

Der Normalfall ist eine Grabungsleitung vor Ort mit diversen Grabungsarbeitern, die mehrheitlich irgendeine archäologische Teildisziplin haben. Die Zeit der ABMler auf Grabungen ist in den meisten Bundesländern lange vorbei. Die Mehrzahl der einfachen Grabungsarbeiter sind (schlecht bezahlte) Archäologen, inzwischen häufig auch aus dem östlich angrenzenden Ausland. Wobei die oft gründlicher Arbeiten als die, die frisch von deutschen Unis kommen. In Anbetracht der inzwischen noch schlechteren Ausbildung im Bachelor werden es noch mehr werden, denn für alle anderen Tätigkeiten sind Bachelor noch weniger geeignet, sprich: Sie haben keine anderen Optionen.  

Die fachlichen Entscheidungen trifft in letzter Instanz die zuständige Denkmalschutzbehörde, inzwischen immer häufiger ein Stadt- oder Kreisarchäologe. Rein rechtlich gesehen sind die Landesdenkmalämter sogar nur Gutachterbehörden, auch wenn sie diese Rolle noch nicht ganz verinnerlicht haben. Diese Behörden sind es dann auch, die im Regelfall zwischen den einzelnen Grabungen hin und her tingeln, um den Stand der Dinge zu überprüfen. Schließlich braucht es bei einem System mit freier Marktwirtschaft ja jemanden, der die Qualitätskontrolle übernimmt. Auch damit hapert es leider noch in vielen Bereichen.

Was die Museen betrifft: Wie gesagt, hier kommt es auf die Größe des Museums an. Der Haken ist: Die netten kleineren Museen bekommt man genauso schwer wie eine Stelle in den großen, in denen die Archäologie nur eine Abteilung von vielen ist. Aber selbst in den meisten Stadtmuseen oder kleineren Museen übernehmen die Führungen im Tagesgeschäft v.a. stundenweise (schlecht) Bezahlte oder gar Ehrenamtliche.





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Jerne79  22.04.2017, 01:42
@Jerne79

Vielleicht noch ein paar Anmerkungen (mein Rechner musste neu starten, deshalb konnte ich oben nich vernünftig zu einem Ende kommen):

Natürlich gibt es in vielen Gebieten noch echte Probleme. Einzelpersonen versuchen, ganze Landkreise zu wuppen. Irgendwo in Ostbayern wird der Denkmalschutz als halbe oder drittel Stelle von einem Bademeister geleitet. In manchen Bundesländern steht der Denkmalschutz noch auf sehr wackeligen Beinen.

Aber der Denkmalschutz fängt an, sich zu emanzipieren und verschafft sich allmählich das, was der Naturschutz schon in den 80ern erreicht hat: Eine gewisse Selbstverständlichkeit. Und damit geht es immer mehr und immer intensiver hin zu dem von mir beschriebenen System, wo es nicht eh schon so ist.

Neben den Grabungsfirmen funktioniert das System der studierten Grabungsmitarbeiter auch in einigen Bundesländern, die ihren Denkmalschutz noch selbst betreiben und das besser im Griff haben als Ba-Wü. Auch hier ist aber der wissenschaftliche Grabungsleiter v.a. Wissenschaftler. Beim technischen Grabungsleiter gibt es aber durchaus noch die von dir beschriebenen Quereinsteiger. Genauso kommen wir immer mehr weg von hektischen Notgrabungen und können vernünftig und angekündigt bauvorgreifend arbeiten.

Nachdem der praktische Teil im Studium immer kürzer kommt, ist das System der studierten Grabungsmitarbeiter auch wichtig. Kaum jemand, der frisch von der Uni kommt, ist technisch, wissenschaftlich oder auch nur vom Wissen um Abläufe in der Lage, sofort eine Grabung in der freien Wirtschaft zu leiten. Sie müssen Erfahrung sammeln. Mit Befunden, Funden und den einfachsten Aufgaben einerseits, aber auch mit dem Management einer Grabung, all jenen Aspekten, von denen man an der Uni nichts erfährt: dem nörgelnden Bauherren, dem unkooperativen Baggerfahrer, wie tief kann ich graben, ohne verschüttet zu werden, wie plane ich so, dass die Grabung die Baustelle möglichst wenig blockiert und alles gut ineinander greift.

Um auf den Punkt zu kommen: Das ist es, worauf jemand, der jetzt überlegt, Archäologie zu studieren, zusteuert. Und in Anbetracht der schlechten Perspektiven in den meisten anderen Tätigkeitsfeldern gilt das wohl oder übel für die meisten archäologischen Teilbereiche. Denn auch der klassische Archäologe, Ägyptologe etc., der nicht an der Uni bleiben kann oder anderweitig unterkommt, landet in der Regel ganz unten auf der Grabung. Bis er auf- oder aussteigt.

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ErikaKartmann  13.05.2017, 18:22

Kann man als Bauzeichnerin im Bereich Archäologie unterkommen? Wenn ich Dokus über Rom oder das Mittelalter sehe, fallen mir immer die Animationen auf. Ich zeichne 3D und stelle mir das sehr spannend vor.

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Alte Sprachen sind auch ganz hilfreich, Also Latein oder Alt-Grieichscih.

Als Archäologe wühlst du auch oft in alten Archiven


Kristall08  19.04.2017, 23:41

Nö. Wenn ich etwas im Leben nicht gebraucht habe, dann Latein und Griechisch.

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Jerne79  19.04.2017, 23:43
@Kristall08

Fairerweise musst du aber dazu sagen, dass du keine klassische Archäologin bist. ;) Da braucht man die beiden im Hauptfach tatsächlich immer wieder.

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Kristall08  19.04.2017, 23:52
@Jerne79

Doch, bin ich sogar. Nur im Nebenfach, aber trotzdem. Latein brauchte ich nur. um zur Prüfung zugelassen zu werden. Im Studium war das echt verzichtbar.

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Jerne79  19.04.2017, 23:58
@Kristall08

Deshalb ja Hauptfach. ;)

Bei uns musste man schon vor dem Magister Latinum und Altgriechisch-Kenntnisse haben als Hauptfächler, an anderen Unis schon vor der Promotion Graecum. Und ich finde ehrlich gesagt schon, dass man seine Vasen selbst lesen können sollte.

Aber hilft einem hinterher alles nicht, weniger Stellen als in der Klassichen gibt es bei den großen Teildisziplinen nirgends.

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Kristall08  20.04.2017, 13:30
@Jerne79

Also Vasen entziffern ging auch ohne Graecum ganz gut. ;)

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Ontario  02.09.2020, 09:26
@Kristall08

Latein ist sicher etwas hilfreich, so man italienisch, spanisch oder französisch als Fremdsprache wählt. Das sind romanische Sprachen und mit lateinischen Vorkenntnissen, erlernt man diese Sprachen besser. Auch rumänisch zählt zu den romanischen Sprachen.

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Kristall08  02.09.2020, 09:41
@Ontario

Und das trägt zur obigen Diskussion jetzt was genau bei?

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Deine Schulfächer sind für ein Archäologie-Studium relativ egal. Sprachen helfen immer, Geschichte schadet nicht.

Viel wichtiger wären einige Praktika im Vorfeld. Kaum jemand hat realistische Vorstellungen von den Methoden und Arbeitswelten im Fach, das gilt selbst für Studenten des Faches. Mit einem frühzeitigen Realitätsabgleich kannst du dir viel Elend ersparen.

Davon abgesehen solltest du dich dringend mit den Perspektiven, die dich erwarten, auseinander setzen. Auch wenn du das nicht hören willst, sind sie alles andere als prickelnd, und dieser Tatsache MUSS man sich bewusst sein, wenn man Archäologie studieren will. Nur dann kann man seine Chancen wenigstens ein bißchen anheben oder sich zumindest geistig darauf vorbereiten, dass es nach dem Abschluss vielleicht in eine andere Richtung geht. Umzüge, Projekte auf Zeit, Unsicherheit, geplatzte Projekte, an denen man jahrelang gearbeitet hat, das ist nicht für jeden etwas. Aber als Archäologe kommt man um diese Realitäten kaum herum. Sich die Welt schönreden ist da nicht zielführend.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Studium und 17 Jahre Berufserfahrung

Jerne79  19.04.2017, 23:35

Falls du hinterher immernoch Archäologie studieren willst, macht Geographie ein wenig mehr Sinn als Sozialwissenschaften.

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Symmyl 
Fragesteller
 19.04.2017, 23:58
@Jerne79

Ich muss zugeben ich habe mich in einem Institut,
Archäologischen Büro, Verlage,etc. arbeiten gesehen, aber fast alle Vertreten die Meinung Archäologie = Arbeitslosigkeit...

Ich werde aber jedenfalls Geographie wählen.

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Jerne79  20.04.2017, 00:09
@Symmyl

Was ist denn für dich ein archäologisches Büro? Die Sekretärin der Grabungsfirma? "Büro" ist bestenfalls noch die schöne Umschreibung für "Grabungsfirma", es sei denn du bist selbstständig, aber dazu brauchst du erstmal Erfahrung.

Und um an der Uni durchzukommen brauchst du nicht nur gute Noten, Zähigkeit und reichlich Glück, sondern meist auch eine gute Portion Ja-Sager-Mentalität. Selbst dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du nach einem erfolgreichen, wenn auch schlecht bezahlten Einstieg und ein paar Ortswechseln plötzlich aus der Kurve getragen wirst. Weil dein Vertrag ausläuft, du die nächste Stelle nicht bekommst etc.

Wenn du alles außer Schreibtischtätigkeit von vornherein ausschließt, wird es wirklich mehr als schwer werden. Das ist die Mentalität, mit der es die meisten meiner Kommilitonen aus dem Fach geweht hat.

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DiColonna  20.04.2017, 04:39
@Jerne79

Dann haben sich deine Kommilitonen im Vorfeld wohl nicht richtig informiert.
Richtig ist, dass man eine grosse Flexibilität braucht. Reisefreudigkeit ist das A & O.
Kontaktfreude zu allen Menschen in allen Kulturen und in jedem Fall sehr, sehr ausgezeichnete Sprachkenntnisse.
Ohne Englisch geht nichts mehr. Latein und die klass. Alt-Sprachen kommen ggf. hinzu.

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Jerne79  20.04.2017, 12:09
@DiColonna

Dann haben sich deine Kommilitonen im Vorfeld wohl nicht richtig informiert.

Da kann man schon noch deutlich mehr falsch machen. Reisefreudigkeit und Sprachen, soweit kommen die meisten nicht einmal. Einmal abgesehen davon, dass Reisefreudigkeit und Alte Sprachen v.a. für die nichteinheimischen Archäologien relevant sind. Die häufigsten Fehler, damals wie heute:

* zu faul/ träge für Praktika

* den Hintern nicht aus der Uni raus bewegen ("Ui, toll, das Museumspraktikum kann ich bei uns in der Sammlung machen!")

* falsche Vorstellungen vom Fach haben

* von vornherein auf ein Betätigungsfeld festlegen (z.B. "Ich will ans Museum", ohne zu verstehen, dass man dazu mehr Materialkenntnis braucht, als einem die Uni mitgibt)

* auf das falsche Pferd setzen ("Ich komm so toll mit Prof. XY klar, der wird sicher was für mich tun.")

* zu unflexibel, was das Örtliche betrifft ("Ich zieh doch nicht weg!")

* noch im Studium oder während der Dissertation ein Kind kriegen ("Ach Quatsch, das klappt! Das Kind schläft im 1. Jahr ja viel, da schreib ich die Diss. locker nebenher!")

* hohes Ross ohne jede Erfahrung im Fach ("Ich hab doch jetzt meinen Abschluss, ich weiß das!")

* zu zimperlich ("Also nee, ich habe doch studiert, da setz ichmich doch nicht in den Dreck auf eine Baustelle mit tumben Bauarbeitern.")

* zu unflexibel, 2. Teil: Teilbereich der Archäologie ("Ich habe klassische Archäologie studiert, was interessiert mich denn Mittelalter/ Vorgeschichte, nee, sowas grab ich nicht.")

* zu unflexibel, 3. Teil: Geld ("Nee, für die paar Euro mach ich mich nicht dreckig." <-- Letztlich legitim, aber warum dann erst Archäologie studieren? ;) )

Und ja, ALLE Zitate sind so irgendwann einmal gefallen, die einen vor über einem Jahrzehnt, die anderen vor ein paar Tagen.

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Jerne79  20.04.2017, 12:29
@Jerne79

Im Übrigen gibt es auch keine Garantien, wenn man all diese Fehler nicht macht. Aber man erhöht die eigenen Chancen enorm.

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Kristall08  20.04.2017, 13:07
@Jerne79

LOL!

Ja, alles schon so gehört. Andererseits, ich finde es auch völlig in Ordnung, irgendwann was anderes zu machen. Mit Kind und Familie ist der Beruf nur sehr schwer zu vereinbaren. Mir persönlich waren meine Kinder da einfach wichtiger als eine Karriere im Fach.

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Jerne79  20.04.2017, 13:13
@Kristall08

Natürlich ist das in Ordnung. Du bist aber auch bewusst ausgestiegen, obwohl du Angebote hattest. Die meisten wollen ja aber doch weiter im Fach bleiben und kriegen nichts, sei es nun, weil sie zu unflexibel sind, sie nicht für einen 10er netto im Dreck sitzen wollen* oder weil gerade wirklich nichts zu bekommen ist.

* Finde ich irgendwann auch legitim. Ein paar Jahre sollte man dazu gerade am Anfang bereit sein, aber dann sollte man auch schauen, dass man sich weiterqualifiziert, und sei es nur für Spezialaufgaben innerhalb der Grabungsfirma. Nur vom hirnlos im Befund herum kratzen wird es aber halt leider nich besser.

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Eine reiche Ehefrau.

Mal ehrlich, die Schulfächer sind vollkommen egal. Vorkenntnisse sind unnötig.

Wichtig ist ein klares realistisches Berufsziel, falls du nicht reich erben wirst.


Hallo Symmyl,

schön, dass du dich für Archäologie begeisterst.

Zu deiner Frage: Wenn sich für dich nur noch die Frage stellt, ob Sozialwissenschaften oder Geographie, dann würde ich auch zu Geographie tendieren.
Wichtiger wäre aber die Frage, was hat dich dazu bewogen, Archäologie studieren zu wollen? Es dürften ja immerhin noch 2 Jahre bis zum Beginn des Studiums sein.
Da ist noch viel Zeit, sich über mögliche Universitäten, Fachrichtungen und Institute zu Informieren. (ggf. bereits im Ausland)

Ich hoffe, du hast dir die wirklich wichtigen Fächer für diesen Studiengang bereits gewählt.

Geschichte alternativ: Politik
Englisch
Latein ab Klasse 6, wenigstens ab Klasse 8.
(Latein an der Uni ist ein Kreuzzug)
je nach künftiger arch. Fachrichtung:
Alt-Griechisch, Hebräisch, mindestens Französisch altern. Spanisch
ein Naturwissenschaftliches Fach (Bio, Chemie, Physik für's Nebenstudium)

Ich nehme an, dass du dir bewusst bist, dass Archäologie keine Berufsbezeichnung für Indiana Jones Abenteuer sind.

Die Realität sieht am Anfang schlicht schmutzig aus. Wenn du nicht gerade in und für die Uni arbeitest, wirst du hauptsächlich auf mehrheitlich eigene Kosten von einer Grabungsstelle zur anderen reisen.
Eine gute körperliche Fitness(gesunde Knie und Rücken, sowohl allgm. Klimazonentauglichkeit ist absolute Voraussetzung)
Viele junge Archäologen haben nach 4 Semestern schlicht hinnehmen müssen, dass ihre Physis den Anstrengungen dieses Knochenjobs nicht gewachsen ist.
Aus Spass empfehle ich immer ein kurzes Praktikum für Pflasterarbeiten mit Camping-Zelt auf der Baustelle, ohne fliessendem Wasser.
Wer das in eisiger Kälte oder sengender Sonne schafft, der ist für den Job geeignet.
Im Ernst, chronische Erkrankungen wie Rückenprobleme, alte Unfallfolgen, Herz-Kreislauferkrankungen, Stoffwechselstörungen sind leider oft das K.O. in der 6. Runde und dann endet der Schliemann's-Traum in einem Museumsarchiv.

Ansonsten kann ich nur sagen, dass ich genau dieses alles liebe. Ich arbeite hauptberuflich an einem anderen, ähnlich antikem Ort. Archäologie habe ich aber in Rom vor der Haustür, auch wenn ich Schwerpunktmässig in Griechenland unterwegs war/bin.
Als Archäologe jagt man heute nicht mehr den wirklich grossen Highlights der Geschichte hinterher. Eher werde ich heute zu Baustellen gerufen, wenn mal wieder alte Fundamente auftauchen. Schnell begutachten, Wertig-und Wichtigkeit taxieren, Notgrabungen und Sicherstellungen vornehmen, bevor einmal wieder eine Tiefgarage darauf gestellt wird. Für solche Dinge arbeitet man entweder selbstständig auf Honorarbasis, oder für ein Institut im Angestelltenverhältnis.
Du siehst, es hängt ziemlich davon ab, wie viel Geld man selber investieren kann und will, oder ob man in diesem Beruf/Berufung einfach nur Geld verdienen will.
Besonders reich wirst du damit nicht werden. Aber vielleicht schaffst du es an einen Ort, wo die Arbeit das Hobby ist und du wenigstens von Zeit zu Zeit ein Stück Historie ruhmreich retten und erhalten kannst.

Ex nihilo nihil fit. ;-)

Ich wünsche dir für deine Zukunft alles Gute
di Colonna


Kristall08  20.04.2017, 13:09

Die Aufzählung der Schulfächer mag passen für jemanden, der Klassische Archäologie studieren möchte. Für Prähistorische sind sie absolut nebensächlich. ;)

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Yosoy  23.04.2017, 01:11

bei den meisten Punkten stimme ich zu, allerdings würde ich Ausgrabungen nicht ganz so "dramatisch" darstellen. Klar sind die Bedingungen kein Luxusurlaub aber man muss auch kein Profisportler sein, um das zu "überstehen" (ich weiß, das ist jetzt überspitzt)...ich z.B. hab Asthma und kam bisher dennoch immer gut bei Grabungen klar.

Bzgl. der Schulfächer stimme ich Kristall08 zu..deine Aufzählung stimmt primär für Klassische Archäologie.
Latein z.B. kann zwar nie schaden, ist für die Prahistorische Archäologie aber auch nicht zwingend notwendig. Da wären möglichst viele moderne Fremdsprachen eher sinnvoll. Auch die Inhalte aus dem schulischen Geschichtsunterricht sind da weitestgehend nebensächlich. Mathe hingegen würde ich empfehlen ebenso wie etwa Chemie...dann fällt es uU leichter, die Datierungsmethoden zu verstehen und z.B. Statistiken zu erstellen u.ä.

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DiColonna  23.04.2017, 02:07
@Yosoy

In der Einstiegsfrage wurde die Prähistorische Archäologie nicht genannt. Da bin ich mal von der Klassischen ausgegangen. ;-)
Latein würde ich dennoch empfehlen, wenigstens ab Oberstufe.
Moderne Fremdsprachen belaufen sich hier hauptsächlich auf Englisch; fachbezogen aber in jedem Fall auch landestypische Umgangssprache. Natürlich abhängig vom Fach/Grabungsgebiet.
Mathe und Chemie gehören schlicht dazu, kann aber fachbezogen an der Uni erweitert werden. Da gibt es viele Extraangebote, falls es im ABI nicht auf der Schwerpunktliste stand.
Natürlich können Leute mit Asthma, oder anderen  Erkrankungen zu Grabungen aufbrechen. Hängt immer von den pers. Umständen, vom Land und den Bedingungen vor Ort ab. Aber da informiert man sich schliesslich vor der Reise.
In jedem Fall sollte berücksichtigt werden, dass eine leichte Einschränkung mit Anfang 20, zu einem ausgewachsenen Problem mit Anfang 40 werden könnte. #LifeLessons   ;-))

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Jerne79  26.04.2017, 00:03
@Yosoy

bei den meisten Punkten stimme ich zu, allerdings würde ich Ausgrabungen nicht ganz so "dramatisch" darstellen.

Doch, die würde ich auch so darstellen. Wie ausführlich erläutert ist eine Anstellung im Grabungssektor hinterher der wahrscheinlichste Job im Fach, egal in welcher archäologischen Teildisziplin. In Deutschland (und nur hier ist die Anstellung auch nur ansatzweise wahrscheinlich) bedeutet das nunmal, dass man sich im Winter den Hintern abfriert und im Sommer in der Hitze steht. Und meist hat man nicht einmal das erwähnte Zelt über sich.

Am besten sollte man in der Lage sein, in einer Gefriertruhe feinmechanische Arbeiten durchzuführen und im Backofen zu schaufeln. Und selbst wenn man mit besten gesundheitlichen Voraussetzungen startet, heißt das nicht, dass man auch gesund bleibt. Allein die Gelenke leiden enorm.

Die Fächer sind hier natürlich zu sehr auf Klassische ausgerichtet. Generell sollte man in keinem Teilbereich die Notwendigkeit moderner Fremdsprachen unterschätzen, schon damit man seine Vergleichsliteratur auch lesen kann. Und GERADE die Vorgeschichtler brauchen die modernen Fremdsprachen. Nicht einmal in der Mittelalterarchäologie geht es ganz ohne.

Ob es Extra-Angebote gibt, ist im Übrigen stark von der Uni abhängig. Nicht überall hat man die gleichen Möglichkeiten und oft genug stellt man erst hinterher fest, was tatsächlich sinnvoll gewesen wäre.

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DiColonna  27.04.2017, 23:08
@Jerne79

Danke für diesen tollen Kommentar, Jerne 79!
ich wollte das mit den Ausgrabungsplätzen nicht so krass angeben....Sonst finden wir bald keinen Nachwuchs mehr. Fest steht, dass sehr viele Studenten schon nach der zweiten klimatisch/geographisch anspruchsvollen Grabungsstätte abspringen. Nicht wegen dem Dixi-Klo...eher weil die Kaffeemaschine ohne Strom nicht lief, WLAN und GSM-Netz nicht zum facebooken und wahtsappen taugten. ;-))
Wegen der körperlichen Belastbarkeit sollte jeder wissen, was er seinem  Körper zumuten will und kann. Die Gelenke(Knie, Schultern, Rücken) werden wie bei einem Fliesenleger/Maurer belastet. Das ist einfach so und lässt sich nicht schön reden. Dass man dazu oft bis zu den Knien im Dreck steht, sollte eher begeistern, als abschrecken.

Weiss hier eigentlich jemand, welche Deutschen Universitäten für den Studiengang der Archäologie besonders renommiert sind?
Mir sind nur Berlin und Aachen bekannt.

In Italien würde ich Padova, Perugia(Frühgeschichte), Firenze, Roma(Sapienza und Gregoriana, klassisch) Napoli(röm-griech) und Palermo(Frühgeschichte) empfehlen.

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Jerne79  28.04.2017, 00:52
@DiColonna

Den Ruf von Aachen empfinde ich als überschaubar, wenn ich ehrlich bin. Tübingen würde ich ganz weit vorne sehen. Müsste ich nochmal von vorne anfangen, würde ichvermutlich da mein Glück versuchen.

Ansonsten bin ich schon so lange aus dem Uni-Zirkus raus, da habe ich bei vielen Unis den Überblick verloren, wer inzwischen wo ist und was noch gemacht wird. Bei manchen flitzen wohlklingende Namen herum und das Vorlesungsverzeichnis sieht interessant aus, dann merkt man aber, dass die großen Namen eher eine ruhige Kugel schieben und die Studenten weltfremd und/ oder schlecht ausgebildet sind. Spätestens wenn die Doktoranden weder gewillt noch in der Lage sind, ihr eigenes Material zu bestimmen, gehen bei mir die Lichter aus. An anderen Unis würden die Leute gern mehr machen, verbringen aber ihre Zeit gezwungenermaßen mit Drittmittelwerbung.

Was wir wirklich bräuchten, wäre eine besser Verknüpfung zwischen den Universitäten und der Praxis, insbesondere bei den im Land betreibbaren Archäologien. Wenn oft nur einer von 20 für die Masterarbeit Material bearbeitet, darf man sich nicht über die hohe Zwangsausstiegsquote im Fach wundern. Ein paar Wochen beschützte Graberei bringt da wenig. Typentafeln für Sonderfunde kann man sich dann anschauen, wenn man mal einen findet. Was die Leute bräuchten, wären fundierte Kenntnisse über das, was hinterher tatsächlich kommt. Dann würde auch nicht so viel Material unpubliziert herumliegen.

So lange aber (natürlich überspitzt formuliert) die eine Seite keine Funde in die Hand nimmt und die andere nach dem Studium keine Bücher mehr, wird sich daran aber wenig ändern.

/ Ende freies Sinnieren ;)

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DiColonna  28.04.2017, 01:05
@Jerne79

Schade. Von dieser Problematik mit mangelnder Praxis in Deutschland habe ich auch schon gehört. Zum Glück sieht das geschichtsgegeben bei uns in Italien anders aus. Ich habe in Milano studiert...auch nicht so sehr qualifiziert auf diesem Gebiet. Promo habe ich dann an der Sapienza gemacht. Eben auch wegen der Praxis und weil's vor der Haustür liegt.
Über Geldprobleme braucht man in Italien aber nicht zu diskutieren. Jede Deutsche Uni ist besser aufgestellt. Ich musste teilweise das "Haushaltsgelt" (nicht die Semestergebühren) selber mitbringen.... Roma locuta  - causa finita.   LOL!

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Jerne79  28.04.2017, 01:29
@DiColonna

Denk mal ein bißchen über den Tellerrand des klassischen Archäologen hinaus. ;)

Wir haben in Deutschland genauso die Arbeit direkt vor der Haustür. Mittelalter, Vorgeschichte, im halben Land haben die Römer ihren Kram verloren. Für die einheimischen Archäologien ist nun wirklich mehr als genug da. Auch klassische Archäologen könnten auf heimischen Grabungen das Graben lernen, nur sind sie sich oft einfach zu schade dafür.

Und ich darf das so bissig sagen, ich habe Klassische im Hauptfach studiert. Und hinterher habe ich auf Mittelalterarchäologie umgesattelt, weil ich damit Geld verdienen konnte. Und mir die stärkere Ausrichtung auf Alltagsgeschichte auch mehr liegt als die bei uns an den meisten Unis ja doch sehr kunsthistorische Ausrichtung in der Klassischen (deshalb wollen sich ja auch so viele hier die Hände hinterher nicht schmutzig machen).

Der Witz ist: Die Grabungsfirmen und freiberuflichen Archäologen ersaufen bei uns in Arbeit und trotzdem gibt es so viele arbeitslose Archäologen. Wenn man das unternehmerische Risiko scheut, kann ich das sogar verstehen, schließlich gibt es keine Garantie auf gute Zeiten, aber viele scheuen einfach die Arbeit.

Es liegt nicht am mangelnden Material, dass die Verbindung zwischen Uni und - hart formuliert - realer Archäologie so schlecht ist.

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