Warum wird unsere heutige Zeit immer so schön geredet?

14 Antworten

Im Vergleich zu praktisch allen früheren Zeiten gehts uns einfach sehr gut, zumindest in Europa. Allein die Medizin ist so viel besser, als sie es jemals war (richtige Narkose beispielsweise ist noch nicht soo alt). Als Single wohnt man halt in einer kleinen Wohnung, ist doch in Ordnung, mehr braucht man doch auch nicht. Besser als früher, wo man praktisch gezwungen war mit jemandem (oft halt dem Partner) zusammen zu wohnen. Allein dass man als Single wohnen kann, dass das für so viele Leute möglich ist, ist ein großes Ding. Aja, und es ist in Ordnung Single zu sein. Oder queer, zumindest in vielen Gegenden. War auch nicht immer so.

Dafür gibts in der Regel relativ viel Freizeit, relativ viel Gehalt, eine relativ gute Gesundheitsvorsorge - "relativ", weil du halt mit früher vergleichst. Wenn du früher in der Fabrik nen Arm verloren hast, warst du raus, und hast einfach nichts mehr verdient. Nicht mal den Hungerlohn, den ein regulärer Arbeiter bekam. Pension gabs nicht. usw...

Natürlich ists weit von Perfektion entfernt. Stellt doch keiner in Frage. Aber im Vergleich zu früher ist halt vieles (nicht alles, aber vieles) einfach besser.

Ich kenne es eher umgekehrt. In Gesprächen ist oft von den guten alten Zeiten die Rede und davon, dass früher alles besser war. Allerdings bin ich nicht mehr ganz jung, und sehe, dass sich ältere Menschen gerne über die heutige Jugend beklagen.

Wer hingegen jung ist, weiß ja nicht wie es früher war. Die Vergangenheit liegt im Dunkeln und wird dementsprechend nicht rosig gesehen. Und jeder junge Mensch will natürlich daran glauben, dass die Zeit, in der er lebt, die beste aller Zeiten ist.

Ich persönlich sehe die Gegenwart und Zukunft auch mit Sorge. Vor allem der Klimawandel stellt die Gesellschaft plötzlich vor Herausforderungen, von denen ich in meiner Jugend überhaupt noch nichts ahnte.

Warum wird unsere heutige Zeit immer so schön geredet?

Reines Kalkül.

Das liegt in der Natur der Sache. Jede Administration und ihre Anhänger posaunen das ins Volk hinein und hoffen durch Propaganda damit mehr Anhänger zu generieren. Ansonsten ist das so, stirbt die Zustimmung, wählt der Bürger sie bei passender Gelegenheit ab und das soll unbedingt vermieden werden.

Das Wohlbefinden der Bürger ist entscheidend, also die wirtschaftliche und politische Sicherheit muss gegeben sein, damit eine Zufriedenheit besteht. Nur mit diesen Voraussetzungen im Lande geht es länger gut, alles andere geht früher oder später in die Brüche. Die Geschichte ist voll davon und es bleibt auch so.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Wir sind materiell überfüttert und dabei seelisch unterernährt. Das war früher nicht so.

Glücklich und zufrieden zu sein wird zwar von vielen Individuen als Ziel angesehen, für das Gesellschaftssystem gilt das aber keineswegs. Im Gegenteil, aus Sicht des Systems wird die geschwächte Psyche gebraucht, sie dient auf verschiedene Weise seiner Erhaltung.

Auf der Ebene des Kapitalismus gefährdet Zufriedenheit und Genügsamkeit den Absatz. Nur bedürftige Konsumenten sind gute Konsumenten. Um das Wirtschaftswachstum zu erhalten müssen immer neue Bedürfnisse geschaffen werden. Oder besser gesagt, psychische Bedürfnisse in materielle Bedürfnisse umgedeutet werden.

Aus Sicht des Bürgertums wird die Vorstellung vom Menschen bestätigt, dass er von Natur aus schlecht und unvollkommen ist und deshalb Erziehung und Kontrolle braucht: Die Gier nach Macht, Neid, Egoismus, Rücksichtslosigkeit und anderes mehr werden immer wieder als naturgegeben dargestellt, um andere Vorstellungen vom Zusammenleben als naiv und illusionär abzulehnen.


Garnet72  19.05.2024, 12:47

Mal wieder seeehr zutreffend beobachtet und beschrieben.

5
SerenSaethu  19.05.2024, 21:45

Machtnix, das ist ein 5-Sterne-Top! "Die Gier nach Macht, Neid, Egoismus, Rücksichtslosigkeit und anderes mehr werden immer wieder als naturgegeben dargestellt, um andere Vorstellungen vom Zusammenleben als naiv und illusionär abzulehnen."

5

Früher waren die Leute so arm viele hatten nur ein Stück Kleidung und haben es dann in Unterwäsche gewaschen(mit der Hand, natürlich). Die Bettwäsche wurde an die Kinder vererbt, weil sonst kann man die sich ja nicht leisten. Man hat damals mit 5-6 Leuten in 2 Zimmern gewohnt.

Nach der Industrialisierung gab es mehr Konsumgüter, allerdings würde dafür nicht selten 50, 60 oder sogar 70 Stunden die Woche gearbeitet.

Aktuell ist Deutschland das Land wo am wenigsten Stunden im Jahr gearbeitet wird, weltweit.