Stadtgedichte von Erich Kästner

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Kleine Stadt am Sonntagmorgen Das Wetter ist recht gut geraten. Der Kirchturm träumt vom lieben Gott. Die Stadt riecht ganz und gar nach Braten und auch ein bißchen nach Kompott.

Am Sonntag darf man lange schlafen. Die Gassen sind so gut wie leer. Zwei alte Tanten, die sich trafen, bestreiten rüstig den Verkehr.

Sie führen wieder mal die alten Gespräche, denn das hält gesund. Die Fenster gähnen sanft und halten sich die Gardinen vor den Mund.

Der neue Herr Provisor lauert auf sein gestärktes Oberhemd. Er flucht, weil es so lange dauert. Man merkt daran: Er ist hier fremd.

Er will den Gottesdienst besuchen, denn das erheischt die Tradition. Die Stadt ist klein. Man soll nicht fluchen, Pauline bringt das Hemd ja schon!

Die Stunden machen kleine Schritte und heben ihre Füße kaum. Die Langeweile macht Visite. Die Tanten flüstern über Dritte. Und drüben, auf des Marktes Mitte, schnarcht leise der Kastanienbaum.

Ansonsten schau hier = http://mitglied.multimania.de/spangenberg/gedichte/kaest00.html


Besuch vom Lande

Sie stehen verstört am Potsdamer Platz.

Und finden Berlin zu laut.

Die Nacht glüht auf Kilowatts.

Ein Fräulein sagt heiser: "Komm mit, mein Schatz!"

Und zeigt entsetzlich viel Haut.

Sie wissen vor Staunen nicht aus nicht ein.

Siehen und wundern sich bloß.

Die Bahnen rasseln. Die Autos schrein.

Sie möchten am liebsten zu Hause sein.

Und finden Berlin zu groß.

Es kilngt als ob die Großstadt stähnt,

weil irgendwer sie schilt.

Die Häuser funkeln. Die U-Bahn dröhnt.

Sie sind das alles so garn nicht gewöhnt.

Und finden Berlin zu wild.

Sie machen vor Angst die Beine krumm,

Und machen alles verkehrt.

Sie lächeln bestürzt. Und sie warten dumm.

Und stehn auf dem Potsdamer Platz herum,

bis man sie überfährt.

Außer "Besuch vom Lande", wo es genau um diesen Unterschied geht, findest Du im Internet auch Gedichte "Autofahrt über Land", "Vorstadtstraßen" und "Kleine Stadt am Sonntagmorgen" - immerhin mit Teilaspekten zu Deinem Thema.